Karl Löwith: Mein Leben in
Deutschland vor und nach 1933 Stuttgart: Metzler, 2007 [1989]. Gebunden, 238 Seiten ![]() ![]() |
Ein Gelehrter auf der Flucht schreibt 1940 in Japan als 43-jähriger seine Erinnerungen für einen Wettbewerb der Harvard Universität. Wir können heute ein nüchternes und erhellendes Porträt des Geisteslebens zwischen Ersten und Zweiten Weltkrieg lesen. |
Gordon W. Allport, Soziologe an der Harvard
Universität, schrieb zusammen mit zwei Historiker-Kollegen, ein
Preisausschreiben aus. Gefragt wurde den Erfahrungen deutscher Emigranten zum
Thema »Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933«. Etwa 260
Arbeiten wurden eingereicht, u. a. schickte der Philosoph Karl Löwith aus
Japan seine Autobiographie. Die Einreichungen zum Preisauschreiben werden im
Archiv der Houghton Library der Harvard University, Cambridge, Mass. und
teilweise im Leo Baeck Institut New York aufbewahrt; zum Teil wurden sie als
Buch oder in Sammelbänden veröffentlicht, siehe ![]() |
Karl Löwith, * 9.1. 1897 in
München, war bis 1933 unpolitisch. Seine Erinnerungen von 1940 erreichten
nur den zweiten Platz im Preisausschreiben (1. Platz ging an ?) sind aber ein
lebendiges Zeugnis des Geistesleben bis 1940. Insbesondere wird deutlich, dass
die Intellektuellen in Deutschland entweder dem Nationalsozialismus (NS)
aufgeschlossen waren oder durch ihre Passivität oder durch völlig
Unterschätzung der braunen Bewegung, den Aufstieg erleichterten. 1934
wurde Löwith aufgrund des "Arierparagraphen" von seinen
Lehrverpflichtungen an der Universität Marburg enthoben. Karl Löwith starb am 24.5. 1973 in Heidelberg. |
Karl Löwith war Kriegsfreiwilliger im Ersten Weltkrieg. Dieser Umstand kam ihm etwas zugute, aber doch nicht wirklich. Eher unterstützte es seine Unterschätzung des NS. Er war Schüler von Martin Heidegger und Rudolf Bultmann.1934 emigirierte er nach Italien; von dort 1936 bis 1940 nach Japan, dann in die USA. |
Obwohl Löwith die Linie Friedrich Nietzsche und auch Stefan George zum NS bewusst ist, verteidigt er
beide gegen die Vereinnahmung. Die anbiedernde Haltung Heideggers sieht er
jedoch kritisch. Ganz klar sieht er eine wichtige Bedingung von Adolf Hitlers raschen Aufstieg: dem Deutschen fehlt
die Zivilcourage, ja, die deutsche Sprache hat dafür nicht einmal ein
eigenes Wort (S. 74). Dazu ist festzustellen, dass derzeit zwar Zivilcourage
oft eingefordert wird, doch Löwiths Diktum gilt weiter, wohl auch weil
entgegen den Forderungen Zivilcourage oft bestraft wird (![]() Belegt wird Löwiths vernichtendes Urteil über die deutsche Zivilcourage durch die schäbige, absurde, bestenfalls zwiefältige Haltung der Freunde und Kollegen des Autors in den frühen 30-er Jahren. Bedenkenswert ist auch Löwiths Feststellung: "Wenn Recht ist, was einem Volke nützt, dann ist es nutzlos, überhaupt noch von Recht zu sprechen" (S. 102). Bei der Behandlung von Ausländern gilt auch heute wieder: Nur wer uns nutzt kann mit einem Bleiberecht rechnen; und schon dies muß beim Kreisverwaltungsreferat immer wieder beantragt und erkämpft werden. |
Während der Lektüre muss man sich immer wieder vergegenwärtigen: Karl Löwith schrieb dies 1940! Eine ungemein lehrreiche Beschreibung der Situation des deutschen Geisteslebens während zweier folgenschwerer Jahrzehnte. |
Leider häufen sich (im Nachdruck ?) die Druckfehler. Auch einige Seitenüberschriften stimmen nicht. Dafür entschädigen Vorwort von Reinhart Koselleck, Nachwort von Ada Löwith, editorischer Hinweis von Herausgeber Frank-Rutger Hausmann und ein hilfreicher Index. |
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Links |
Karl
Löwith: ![]() ![]() |
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Krebs, Gerhard: "Die Juden und der
Ferne Osten. Ein Literaturbericht".
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Lohfeld, Wiebke,
Steve Hochstadt: "Die Emigration jüdischer Deutscher und Österreicher
nach Shanghai als Verfolgte im Nationalsozialismus".
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Literatur |
Bartmann, Sylke, Detlef Garz (2001): "Arthur Samuel. Mein Leben vor und nach dem 30. Januar 1933". In: Bonner Geschichtsblätter 49/50. S. 399-457 |
Deutsch, Vera: Mein Leben in Deutschland vor und nach dem 30. Januar 1933. Unveröffentlichtes Manuskript. Archives of the Houghton. Library, Harvard |
Fahrenbach, Helmut (2005): "Karl Löwith in der Weimarer Zeit (1928 1933). Philosophie nach dem revolutionären Bruch im Denken des 19. Jahrhunderts". Deutsche Zeitschrift für Philosophie 53, S. 851-869. |
Garz, Detlef (2000): "Jüdisches Leben vor und nach 1933". In: Einblicke. Forschungsmagazin der Carl von Ossietzky Universität 32. S. 17-20. |
Garz, Detlef (2000): "Die Sonne ging nicht auf, sie ging unter in Deutschland. Nachwort. In: Wysbar. S. 113-155. Siehe weiter unten |
Garz, Detlef (2003): "»Mein Leben vor und nach dem 30. Januar 1933«. Das wissenschaftliche Preisausschreiben der Havard Universität aus dem Jahr 1939". In: Fritz Bauer Institut, u.a. Hg.: siehe weiter unten |
Haferkamp, Heinrich (1987): "Karl Löwith, Mein Leben in Deutschland vor und nach 1933" (Buchbesprechung). Widerspruch 13: "Philosophie im deutschen Faschismus" |
Schriftenreihe des. Studiengangs
Jüdische Studien im Fak IV. der Carl von Ossietzky Universität:
Oldenburgische Beiträge zu Jüdischen Studien. Band 15.
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![]() Reinhart Koselleck, Vorwort; Ada Löwith, Nachwort; Frank-Rutger Hausmann, Hg. |
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Sylke Bartmann: Flüchten
oder bleiben? Rekonstruktion biographischer Verläufe und Ressourcen von
Emigranten im Nationalsozialismus. VS Verlag für Sozialwissenschaften
2006. Broschiert, 230 Seiten
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Wolfgang Benz: Flucht aus
Deutschland. Zum Exil im 20. Jahrhundert. DTV 2001. Taschenbuch, 203 Seiten
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Käte Frankenthal:
Jüdin, Intellektuelle, Sozialistin. Lebenserinnerungen einer
Ärztin in Deutschland und im Exil. Frankfurt: Campus, 1985.
Broschiert, 249 Seiten [vormals: Jüdin, Intellektuelle und
Sozialistin: Ein dreifacher Fluch. Lebenserinnerungen einer Ärztin in
Deutschland und im Exil. 1981]
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Max Hirschberg: Jude und Demokrat.
Erinnerungen eines Münchner Rechtsanwalts 1883 bis 1939. München:
Oldenbourg, 1998. Broschiert, 334 Seiten
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Andreas Lixl-Purcell:
Erinnerungen deutsch-jüdischer Frauen 1900 - 1990. Leipzig: Reclam,
2002. Broschiert, 458 Seiten
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Till van Rahden: Juden und
andere Breslauer Die Beziehungen zwischen Juden, Protestanten und Katholiken in
einer deutschen Großstadt von 1860 bis 1925. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht, 2000. 382 Seiten
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Oscar Scherzer: Under Swastika
and the French Flag. AuthorHouse 2003. Taschenbuch, 240 Seiten
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Käthe Vordtriede: Es ist mir
noch wie ein Traum, daß mir diese abenteuerliche Flucht gelang.
Lengwil: Libelle, 1998. Manfred Bosch, Hg. Gebunden, 396 Seiten
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